Ikechukwu Okafor und sein Kampf gegen Diskriminierung

Ikechukwu Okafor und sein Kampf gegen Diskriminierung

von Michael John

Vor rund 20 Jahren lebten in Linz weniger als 200 Menschen afrikanischer Herkunft, heute sind es wesentlich mehr. Im Raum Linz leben nach Schätzungen nun mehr als 1.500 AsylwerberInnen, aber auch ArbeiterInnen, Reinigungskräfte, Geschäftsleute, Hausfrauen, StudentInnen, AkademikerInnen u.a. Die Gruppe der NigerianerInnen wird in der Öffentlichkeit dabei notorisch überschätzt. Nach der Meldestatistik der Stadt Linz lebten hier per 1. Jänner 2009 359 nigerianische Staatsangehörige. (vgl. Magistrat der Landeshauptstadt Linz 2009) Ike Okafor war einer von ihnen, bevor er die österreichische Staatsbürgerschaft erhielt. Er wurde in Umuawuchi, Nigeria geboren, begann 1990 in Innsbruck Theologie zu studieren und gelangte 1992 nach Linz.

    Okafor erinnert sich an seine Anfangszeit:

"Linz hat mir gefallen, so schön flach und offen zum Umland, nicht wie Innsbruck, wo einen die Berge rundum erdrücken. Das war aber schon das einzig Offene am Anfang. In Linz geht man nicht so schnell auf jemanden zu, vor allem, wenn man es ihm gleich ansieht, dass er nicht von hier ist. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich damals im Hörsaal gesessen bin und die Reihen vor und hinter mir frei geblieben sind. Damals waren nur wenige Afrikaner an der Uni […] Linz hat sich mir damals oft von seiner hässlichen Seite gezeigt. Zu jener Zeit liefen viele Rechte und Skinheads herum, oder die Punks mit ihren bunten Haaren. Damals wie heute gibt es nicht viele Orte, wo ich problemlos hingehen und mich frei fühlen konnte."
(Okafor/Riedl 2007, S. 82)

    Durch die Bekanntschaft mit anderen MigrantInnen entwickelte er mit der Zeit die Bereitschaft zum politischen Engagement. In der Folge wurde er in den Integrationsbeirat der Stadt Linz gewählt (2002). Schließlich erwarb Okafor die österreichische Staatsbürgerschaft, "um mitgestalten zu können". (Interview mit Ike Okafor, Black Community Oberösterreich, am 6. April 2009 (Tonband)) Gerade zu diesem Zeitpunkt waren afrikanische AsylwerberInnen oder MigrantInnen in der Öffentlichkeit massiven Angriffen ausgesetzt. So wurde etwa in der auflagenstärksten Tageszeitung eine nachhaltige Kampagne gegen afrikanische EinwandererInnen geführt. (vgl. John 2003b, S. 98 ff.) Zeitungsschlagzeilen wie "3.000 Afrikaner als Drogendealer" oder "Schwarzafrikaner überfluten Linz mit Drogen" blieben nicht ohne Wirkung. (Neue Kronen Zeitung vom 10. Dezember 2002, S. 1 und Neue Kronen Zeitung vom 15. Februar 2003, S. 13)

    "Ich kämpfe jeden Tag dagegen, dass ich nicht das bin, wozu ich abgestempelt werde", hält Ike Okafor im Zeitungsinterview fest. Er betreute als Sozialarbeiter unter anderem Jugendliche im Linzer Stadtviertel Neue Heimat, die sich "nicht vorstellen (können), dass ich als Afrikaner noch nie etwas mit Drogen zu tun gehabt habe. Das zeigt, wie tief die Vorurteile sitzen." (Oberösterreichische Nachrichten vom 2. Februar 2009, Lokalnachrichten Linz, S. 29) Okafor versteht die "Black Community" als "Plattform, die zwischen weißen und schwarzen Linzern vermitteln will." Wir müssen "[…] dieses Bild aus den Köpfen kriegen", sagt er. "Das kostet uns Jobs und Wohnungen." Die Black Community dokumentiert Fälle von Diskriminierung. Das passiere täglich, etwa bei der Wohnungssuche: "Wenn jemand mit afrikanischer Stimme anruft, ist die Wohnung vergeben. Wenn österreichische Mitarbeiter aus unserem Büro anrufen, wird ein Termin vergeben." Einige seien dem Druck nicht mehr gewachsen, sagt der 41-Jährige: "Sie sind psychisch krank geworden. Die Gesellschaft ist brutal." Der Umgang mit Polizisten wird in eigenen Seminaren trainiert. "Es gibt eine Million Vorurteile. Man glaubt, jeder Afrikaner hat etwas versteckt." Okafor bringt seinen Leuten bei, bei Razzien kühlen Kopf zu bewahren und höflich zu bleiben. "Wir haben keine andere Chance." (ebd.)

    Immer wieder gelangten einschlägige Diskriminierungen in die Schlagzeilen, mitunter wurden dabei tragische Dimensionen erreicht, wie etwa im Falle des jungen Afrikaners Yankuba Ceesay, der 2005 in Linzer Schubhaft zu Tode kam. Drei Monate nach dem Tod des 18-Jährigen organisierte die Black Community Linz mit der Plattform Zivilcourage einen Gedenktag. Ike Okafor hielt dabei eine Rede, in der er fragte:

"Quo vadis Europa? Die Schubhaftgefängnisse sind überfüllt -fremdenpolizeiliche Maßnahmen begleiten jeden Schritt der Migranten und Asylsuchenden. Unter diesen Umständen ist keinerlei Integration möglich - Angst und Misstrauen sowohl auf Seiten der ÖsterreicherInnen als auch auf Seiten der Migranten sind die Folgen."
(vgl. Okafor 2005)

    Ein halbes Jahr nach dem Vorfall bewarb sich Linz um die Ausrichtung der Tischtennisweltmeisterschaft 2009. Die oberösterreichische Landeshauptstadt galt im Vorfeld als haushoher Favorit gegenüber der japanischen Stadt Yokohama. Schließlich entschied sich der Afrikanische Tischtennisverband geschlossen für den Austragungsort Yokohama und machte dabei die schlechte Behandlung von afrikanischen Staatsangehörigen durch die österreichischen Behörden geltend. Linz hatte daher bei seiner Bewerbung mit 111:43 Stimmen das Nachsehen. (vgl. Oberösterreichische Nachrichten vom 28. April 2006, S. 19 und Informationen des Österreichischen Tischtennisverbandes Nr. 922 vom 4. Mai 2006, S. 1)

    Mittlerweile hat sich die Situation etwas verbessert, es gibt nun mehr Kommunikation zwischen der afrikanischen Community und der österreichischen Seite. Zur aktuellen Situation meint Okafor: "Es war schon schlimmer. Wir stehen in Kontakt mit der Polizei, treffen uns zum Austausch. Vieles ist bereits geschafft, vieles noch zu tun." (vgl. Oberösterreichische Nachrichten vom 23. Februar 2009, Lokalnachrichten Linz, S. 27) 2006 erhielten mit "Black Woman" und 2007 mit "Pamoja" afrikanische Initiativen den in Linz jährlich vergebenen "Interkulturpreis". (vgl. GfK-News, Mitteilungen der Gesellschaft für Kulturpolitik, Interkulturpreis 2006, 2007) In der Gegenwart setzen viele AfrikanerInnen in fast euphorischer Weise auf die Signalwirkung der Wahl Barack Obamas zum US-Präsidenten. In aktuellen Statements afrikanischer MigrantInnen zu ihrer Lebenslage wird neben den täglichen großen Schwierigkeiten auch eine ausgeprägte Zuneigung zur Donaustadt und ein starkes Bemühen um Akzeptanz deutlich:

"Das Problem ist: Wenn die Leute einen Schwarzen sehen, haben sie ein Bild im Kopf - und das ist kein gutes. Ich war zum Beispiel in der Arbeitsstelle meiner Freundin, einer Österreicherin. Ihre Chefin hat gesagt, ich muss gehen, weil wo ein Schwarzer ist, da kommt sofort die Polizei"
(vgl. Oberösterreichische Nachrichten vom 2. Februar 2009, Lokalnachrichten Linz, S. 29)

    erzählt etwa Obinna Ikeobi. Und Lilli X. hält fest:

"Ich arbeite in einem Restaurant. Manche sagen: Schau, die Negerin. Oder: Neger sind nur dazu da, um Drogen zu verkaufen. Aber es gibt auch nette Österreicher, sie sind meistens toleranter als die anderen Ausländer. Trotzdem mag ich Linz sehr, sehr gerne."
(ebd.)

    Chris Anyanwu ergänzt:

"Ich lebe seit 18 Jahren in Linz und habe viele gute Menschen getroffen - aber auch solche, die meine Hautfarbe nicht mögen. Mittlerweile werde ich auf der Straße nicht mehr schief angeschaut. Das ist besser geworden - vielleicht, weil die Österreicher jetzt mehr mit Ausländern zu tun haben."
(ebd.)

    Ike Okafor ist nun mehrfacher Familienvater. Er kandidiert als Politiker bei den nächsten Gemeinderatswahlen und meint: "Ich bin gerne hier, mir gefällt Linz und ich möchte es nicht tauschen müssen. Wenn ich könnte, würde ich sogar Bürgermeister meiner Wahlheimat werden." (Okafor/Riedl 2007, S. 82) Diese Statements können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele ZuwanderInnen und AsylwerberInnen aus afrikanischen Ländern in Linz und Oberösterreich häufig unterschiedliche Diskriminierungen erlebten und erleben.



John, Michael, Afrikaner in Oberösterreich - Historische und aktuelle Entwicklungen, in: John, Michael, Lindorfer, Manfred (Hrsg.), migration - eine zeitreise nach europa. Ausstellungskatalog (= kursiv. eine kunstzeitschrift aus oberösterreich Heft 10-1/2/03), Linz 2003b, S. 97 - 111

Magistrat der Landeshauptstadt Linz, AusländerInnen, Linz 2009,
abrufbar unter http://www.linz.at/zahlen/040_Bevoelkerung/070_Auslaender, Zugriffsdatum: 10. Mai 2009

Okafor, Ike, Rede am Gedenktag für Yankuba Ceesay in Linz am 9. Dezember 2005,
abrufbar unter: http://www.afrikanet.info/, Zugriffsdatum: 10 Mai 2009

Okafor, Ike, Riedl, Marieta, Über Umwege nach Linz, in: Linz 2009 Kulturhauptstadt Europas OrganisationsGmbH (Hrsg.), Linz Buch. Linz 2009 - Kulturhauptstadt Europas, Linz 2007, S. 82 - 83