Erhebungsphase

Erhebungsphase

von Thomas Philipp

In einem desk research erfolgte eine Expansion der Basisliteraturliste und eine umfassende Literatur- und Materialrecherche (Wissenschaftliche Arbeiten zu den einzelnen Diskurssträngen, vorhandene regionale und lokale Studien, politische Programme, Gemeinderatsprotokolle, Zeitungsartikel, Radio- und Fernsehsendungen, Videomaterial, ...). Darüber hinaus fand ein inhaltlicher Aufriss des Forschungsthemas unter Einsatz von Mindmapping-Tools statt.

    Die Erhebung von geeigneten Personen für die Durchführung von qualitativen Interviews fiel ebenfalls in diese Phase. Auf ein ausgeglichenes Verhältnis von Beschäftigten im industriellen Sektor und von aktiven Personen im Kunst- und Kulturfeld wurde dabei in jedem Diskursstrang geachtet. Als Kriterien für die Auswahl der InterviewpartnerInnen wurden festgelegt:

  • Thematische Entsprechung je nach Diskursstrang (z. B. Jugendliche und junge Erwachsene, MigrantInnen der 2. und 3. Generation, ...)
  • Annähernd gleiche Verteilung von weiblichen und männlichen InterviewpartnerInnen
  • Ausgewogenes Verhältnis von jungen und älteren InterviewpartnerInnen
  • Abdeckung verschiedener Berufe bzw. Disziplinen (z. B. Hochofenarbeiter, Personalmanagement, Schlosserin, Architektur, Design, Audiovisuelle Kunst, ...)
  • Wohnort und/oder Arbeitsort in der Stadt(region) Linz

    Die InterviewpartnerInnen aus dem industriellen Sektor rekrutieren sich dabei ausschließlich aus der voestalpine AG. Ausschlaggebend waren hier zum einen organisatorische Gründe (z. B. Einrichtung eines eigenen Interviewraums in der voestalpine AG), zum anderen die Ausnahmestellung der voestalpine AG für den Industriestandort Linz und die hinreichende Vielfalt von verschiedenen Berufen und Personengruppen.

    Für die spätere Verwendung der Interviews im Rahmen der Ausstellung war das Interview-Setting von besonderer Bedeutung. So mussten etwa die Räume, in denen die Interviews aufgenommen werden, völlig abgedunkelt werden können und schalldicht sein, der Hintergrund für die Interviews einheitlich sein und eine durchgängige optische Kontinuität gewährleisten, die Lichtsituation optimal abgestimmt und die Technik für die Film- und Tonaufnahmen sichergestellt werden. Um den InterviewpartnerInnen einen möglichst einfachen Zugang zur Interviewsituation zu ermöglichen, wurden zwei Studios eingerichtet, eines in der voestalpine AG und eines im Stadtzentrum von Linz.

    Bei der Durchführung der 88 Interviews kamen problemzentrierte, leitfaden-gesteuerte, qualitative Interviews zum Einsatz. Lamnek (1995) beschreibt das problemzentrierte Interview in Anlehnung an Witzel (1985) damit, dass

"[…] die Konzeptgenerierung durch den Befragten zwar immer noch im Vordergrund [steht], doch wird ein bereits bestehendes wissenschaftliches Konzept durch die Äußerungen des Erzählenden evtl. modifiziert."
(Lamnek 1995, S. 74)

    Es handelt sich also um ein methodisches Vorgehen, bei dem Induktion und Deduktion wechselseitig zum Einsatz kommen, d. h. zum einen wird von der Ebene "objektivierter" Texte und Daten aus gearbeitet (z. B. wissenschaftliche Texte, politische Programme, …), zum anderen von der Ebene "subjektivierter" Aussagen der InterviewpartnerInnen. Der Leitfaden dient dabei als flexibles Instrument der Gesprächsführung, wie ihn etwa auch Hopf (2000) auffasst:

"Die Forscher orientieren sich an einem Interview-Leitfaden, der jedoch viele Spielräume in den Frageformulierungen, Nachfragestrategien und in der Abfolge der Fragen eröffnet."
(Hopf 2000, S. 351)

    Für jeden Diskursstrang wurde ein eigener Interviewleitfaden entwickelt.



Hopf, Christel, Qualitative Interviews - ein Überblick, in: Flick, Uwe, Von Kardorff, Ernst, Steinke, Ines (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2000, S. 349 - 360

Lamnek, Siegfried, Qualitative Sozialforschung, Band 2 (Methoden und Techniken), 3. korr. Aufl., Psychologie Verlags Union, Weinheim 1995 [1. Aufl. 1988]